Bundesnetzagentur veröffentlicht Rechtsgutachten im Vectoring-Verfahren

Branchenverbände warnen vor Re-Monopolisierung des TK-Markts

31. August 2015

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat vergangene Woche ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das im Rahmen des laufenden Regulierungsverfahrens zur Einführung der Vectoring-Technik im Nahbereich eingeholt worden ist. Darin kommt der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Regensburger Jura-Professor Jürgen Kühling zu dem Ergebnis, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Bundesnetzagentur und einem regulierten Unternehmen zur verbindlichen Absicherung eines Investitions- und Ausbauversprechens prinzipiell möglich ist. Das Gutachten weist aber auch auf bestehende Probleme und Bedenken hin.

Zum Hintergrund: Die Telekom Deutschland GmbH (Telekom) hat im Februar bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Zugang zur »letzten Meile«, der Teilnehmeranschlussleitung (TAL), eingereicht. Das Unternehmen wolle die Vectoring-Technik künftig auch in den um die Hauptverteiler liegenden Nahbereichen einsetzen können. Damit hätte die Telekom das exklusive Ausbaurecht rund um die betroffenen Verteiler. Im Gegenzug hat das Unternehmen eine verbindliche Investitionszusage gegenüber der Bundesnetzagentur in Aussicht gestellt, zur Unterstützung der Breitbandziele bundesweit alle Hauptverteiler-Nahbereiche bis Ende 2018 mit der Vectoring-Technik zu erschließen.

Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Die Bundesnetzagentur beabsichtigt, mit der Telekom in nächster Zeit den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu erörtern. Sofern sich das Unternehmen verpflichtet, seine bereits im Verfahren angekündigte Ausbau- und Investitionsabsicht verbindlich zu erklären, sei diese Verpflichtung ein Abwägungskriterium, das in der späteren Regulierungsentscheidung, ob und inwieweit die Vectoring-Technik von der Telekom in allen Nahbereichen eingesetzt werden kann, berücksichtigt wird, teilte die Behörde mit.

Dem Gutachten zufolge darf die behördliche Entscheidung und das der Beschlusskammer insoweit zustehende Regulierungsermessen nicht durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag vorweg genommen werden. Folge des öffentlich-rechtlichen Vertrags darf es laut Gutachten alleine sein, dass die Ausbau- und Investitionszusage des regulierten Unternehmens im Rahmen der Abwägungsentscheidung angemessen berücksichtigt wird.

»Eine Entscheidung über den Vectoring-Einsatz auch im Nahbereich ist nach dem Telekommunikationsgesetz in einem förmlichen und transparenten Beschlusskammerverfahren unter Einbindung aller interessierten Marktakteure zu treffen«, stellte Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann daher klar. »Für den Erfolg des Breitbandausbaus bleibt es wichtig, dass alle Unternehmen faire und verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Investitionen in moderne Breitbandnetze vorfinden«.

Kritik von Branchenverbänden

Branchenverbände warnte bereits im Februar vor einer Re-Monopolisierung der »letzten Meile«. Mit dem Veröffentlichen des Gutachtens durch die Bundesnetzagentur kommt weitere Kritik. Die Telekom wolle sich von Regulierung freikaufen, so der BREKO-Verband in seiner aktuellen Mitteilung. Der BREKO geht davon aus, dass sich die Bundesnetzagentur trotz des erheblichen Drucks, der aktuell von verschiedenen Seiten auf sie ausgeübt wird, nicht auf eine Entscheidung zulasten von Bürgern und Unternehmen in Deutschland einlassen wird. »Wir setzen darauf, dass die Bonner Regulierungsbehörde eine unabhängige Entscheidung treffen und sich nicht auf einen politisch gewollten Deal einlassen wird«, sagt Norbert Westfal. Der Verbandspräsident betont: »Eine Re-Monopolisierung der Infrastruktur in den HVt-Nahbereichen würde langfristig Privat- und Geschäftskunden durch steigende Preise und sinkende Qualität treffen«.

»Die Telekom fordert ein Ausbaumonopol mit Vectoring-Technologie für alle Filetstücke und bietet hierfür eine fast wertlose Ausbauverpflichtung an« kritisiert auch VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner die Pläne. Während Kommunen, die selbst ausbauen, rund 30 Jahre veranschlagen, bis sich die Kosten für den Glasfaserausbau amortisiert haben, würde dies im HVt-Nahbereich, für den die Telekom ein Monopol beantragt hat, deutlich schneller gehen, führt der VATM aus. In maximal zwei Jahren könne die Telekom ihre Ausgaben eingespielt haben. Zu diesem Ergebnis kommt Breitband-Berater Kai Seim. »Ein erstklassiger Deal für die Telekom, aber äußerst schlecht für die Bürger, die Wirtschaft und den Wettbewerb«, fasst Grützner zusammen.

Auch BREKO bewertet den Gewinn, den die Zusage der Telekom für den Breitbandausbau bringen könnte, als gering. Der Bonner Ex-Monopolist hatte angekündigt, er könne »weitere 5,9 Millionen Haushalte mit superschnellen Internetanschlüssen« versorgen und wolle »rund eine weitere Milliarde Euro« investieren. Aktuell versorgt die Deutsche Telekom an den mit VDSL2 erschlossenen Hauptverteilern allerdings nur 6,4 Prozent der von ihr proklamierten, maximal erreichbaren »weiteren 5,9 Millionen Haushalte« – nämlich gut 376.000 Kunden, so der Verband. Hinzu kommt: Nach Recherchen des BREKO können schon heute rund 70 Prozent der von der Deutschen Telekom genannten 5,9 Millionen maximal erreichbaren Haushalte, die in einem mit VDSL2 erschlossenen HVt-Nahbereich liegen, einen Breitbandanschluss mit mindestens 40 MBit/s – in der Mehrzahl aller Fälle sogar mindestens 50 MBit/s – bestellen. Nur rund 17 Prozent der bundesweit rund 41.500 Kabelverzweiger in HVt-Nahbereichen liegen nach Zahlen des BREKO tatsächlich im ländlichen Raum. Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers meint: »Es wäre erheblich sinnvoller, vorrangig die wenigen unterversorgten HVt-Nahbereiche mit nachhaltigen und zukunftssicheren Glasfaserleitungen bis ins Haus (FTTB) oder bis in die Wohnung (FTTH) auszubauen«.

Hintergrund Vectoring

Mit dem Vectoring-Verfahren sind im heute bestehenden kupferbasierten Teilnehmeranschlussnetz höhere Übertragungsraten möglich, als dies bisher bei der schon fortgeschrittenen VDSL-Technik der Fall ist. Die Technik reduziert die gegenseitige Störung benachbarter Kupferdoppeladern eines Kabels. Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist dafür allerdings nur der Zugriff eines einzigen Unternehmens auf alle Kupfer-Doppeladern am Kabelverzweiger (KVz) möglich, ein entbündelter Zugriff damit – sofern es um den Einsatz von VDSL-Technik geht – aber nicht mehr.

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