Bundesnetzagentur legt Vorschlag für Regulierung der letzten Meile vor

Regeln für den Einsatz von Vectoring im Nahbereich

08. April 2016

Die Bundesnetzagentur hat ihren Entscheidungsentwurf zur Regulierung der so genannten »letzten Meile« der Telekom Deutschland GmbH und zum Ausbau der Nahbereiche mit Vectoring nach Brüssel notifiziert. Im Vergleich zum ersten Entscheidungsvorschlag können Wettbewerber der Telekom nach dem heute übermittelten Entwurf insgesamt mehr Nahbereiche selbst mit VDSL2-Vectoring erschließen, erklärt die Behörde. Außerdem sollen Wettbewerber einen Vectoringausbau der Nahbereiche auch vornehmen können, wenn die Telekom dieses Gebiet vollständig mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus versorgt.

»Der überarbeitete Entwurf geht ausführlich auf die vorgetragenen Forderungen und Argumente ein und greift konstruktive Vorschläge auf. Wir kommen auch nach nochmaliger intensiver Analyse zu dem Schluss, dass ein Vectoring-Ausbau der Nahbereiche hilft, den Breitbandausbau zu fördern. Es werden weder der Wettbewerb außer Kraft gesetzt noch werden andere Technologien ausgebremst. Verbrauchern wird auch künftig eine breite Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern, Produkten, Preisen und Qualitäten garantiert«, erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

Der Entscheidungsentwurf berücksichtigt die Ausbau- und Investitionszusage der Deutschen Telekom, erklärt die Bundesnetzagentur. Das Unternehmen will sich damit einseitig verpflichten, bundesweit alle Nahbereiche bis Ende 2018 mit Vectoring zu erschließen. Die Telekom hat im Februar einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt, mit dem sie ihr Ausbauversprechen unabhängig von einem Vertragsschluss mit einem spürbaren Sanktionsmechanismus absichern möchte. Zudem werde sie sich zur Überwachung ihrer Ausbauverpflichtung einem strengen Monitoring durch die Bundesnetzagentur unterwerfen. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Telekom mit Blick auf andernfalls drohende spürbare Sanktionen ihre Investitions- und Ausbauzusage einhalten wird. Hierdurch wird ein beschleunigter Ausbau von Anschlüssen mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s wesentlich gefördert. Zu dem Gesamtpaket gehört auch eine Entscheidung über ein hochwertiges alternatives Vorleistungsprodukt, auf das Unternehmen einen Anspruch haben, wenn sie vom Hauptverteiler verdrängt werden.

Bundesnetzagentur legt Vorschlag für Regulierung der „letzten Meile“ und Vectoring in Brüssel vor
Bundesnetzagentur legt Vorschlag für Regulierung der „letzten Meile“ und Vectoring in Brüssel vor
(Bild: Deutsche Telekom / tarif4you.de)

Die Bundesnetzagentur sieht nach eingehenden Untersuchungen nicht, dass sich mit dem im November standardisierten VDSL-Übertragungsverfahren »Annex Q« eine flächendeckende Erschließung der Nahbereiche mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s erreichen ließe oder dass ein Vectoringausbau der Nahbereiche den Breitbandausbau insgesamt beeinträchtigen könnte. Die Telekom hatte im Februar 2015 bei der Bundesnetzagentur beantragt, die Zugangsmöglichkeiten für Wettbewerber zur »letzten Meile« an den Hauptverteilern einzuschränken, um die sogenannten Nahbereiche um die Hauptverteiler mit Vectoring ausbauen zu können. Am 23. November 2015 hatte die Bundesnetzagentur einen Entscheidungsentwurf zur Kommentierung veröffentlicht.

Die Europäische Kommission, die Regulierungsbehörden der übrigen Mitgliedstaaten und das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) können nun innerhalb eines Monats Stellungnahmen zum überarbeiteten Entscheidungsentwurf abgeben. Sofern die Europäische Kommission keine ernsthaften Bedenken äußert, kann die Entscheidung anschließend endgültig in Kraft treten. Die wichtigsten Ergebnisse hat die BNetzA in einem fünfseitigen Papier zusammengefasst. Der gesamte Entscheidungsentwurf umfasst rund 300 Seiten und soll demnächst auf den Internetseiten der Kommission und der Bundesnetzagentur verfügbar sein.

Kritik seitens Branchen-Verbände

Der Branchenverband VATM sieht den Notifizierungsentwurf der Bundesnetzagentur (BNetzA) mit größter Sorge. »Die Zusammenfassung des nochmals überarbeiteten Entwurfs lässt die massiven Bedenken der Monopolkommission, des Bundeskartellamts, der Politik und der Wettbewerber unberücksichtigt«, kritisiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. »Grundsätzlich gestattet die BNetzA weiterhin nach fast 20 Jahren erfolgreichen Wettbewerbs erstmals einem Unternehmen den weitgehend monopolistischen Einsatz einer Technologie«. Die Telekom hatte 2015 die exklusive Nutzung von VDSL2-Vectoring in den Nahbereichen der gut 7.900 Hauptverteiler in Deutschland beantragt, so der VATM.

Der VATM unterstreicht nochmal, dass die Möglichkeit für alle Investoren, die Vectoring-Technologie im Übergang zu FTTB/H (Glasfaser bis zum Haus/Endkunden) gerade auch im Nahbereich sehr wichtig für den Weg in die Gigabit-Gesellschaft sei. »Die negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Möglichkeit, in Zukunft FTTB/H auszubauen, werden aus unserer Sicht falsch bewertet, obwohl an dieser Stelle auch zahlreiche Wissenschaftler deutliche Kritik geübt haben«, so Grützner. »Der Entscheidungsentwurf liegt nun der EU-Kommission vor und wir erwarten, dass sie ein klares Signal für Infrastruktur- und Investitions-Wettbewerb setzt«, erklärt der VATM-Geschäftsführer.

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) bedauert die am Donnerstag – zunächst ausschließlich per Pressemitteilung – kommunizierte Entscheidung der Bundesnetzagentur, der Deutschen Telekom ein weitgehendes Monopol zum Einsatz von VDSL2-Vectoring in den Nahbereichen rund um die bundesweit gut 7.900 Hauptverteiler (HVt) einzuräumen. Die beabsichtigte Entscheidung der Regulierungsbehörde, die der EU-Kommission nun für das so genannte Notifizierungsverfahren vorgelegt wird, räumt dem Bonner Ex-Monopolisten ein weitreichendes Exklusiv-Recht zum (Vectoring-) Ausbau aller Kabelverzweiger – der »grauen Kästen« am Straßenrand – innerhalb einer Entfernung von etwa 550 Metern bis zum HVt ein, so er Verband. Die EU-Kommission kann eine Änderung des Beschlusses zwar empfehlen, aber letztlich nicht durchsetzen. Sollte die Entscheidung tatsächlich in unveränderter Form in Kraft treten – der BREKO erwartet dies für das dritte Quartal dieses Jahres –, werden die Mitgliedsunternehmen des Verbands den Klageweg beschreiten müssen, kündigte der Verband an.

»Der von der Telekom beabsichtigte Ausbau basiert im Wesentlichen auf abgeschriebenen Kupferleitungen«, erläutert BREKO-Präsident Norbert Westfal. »Diese werden damit weitergenutzt, während der Ausbau mit zukunftssicheren und hochleistungsfähigen Glasfaseranschlüssen bis ins Gebäude (FTTB) oder bis direkt in die Wohnung (FTTH) völlig unberücksichtigt bleibt«. Auch kritisiert BREKO, dass Wettbewerber der Deutschen Telekom künftig nur unter extrem hohen Hürden die Chance haben, sich gegen deren Exklusiv-Ausbau mit VDSL2-Vectoring im Nahbereich zu wehren. Ansonsten stehe ihnen nur ein noch ein virtuelles Vorleistungsprodukt (VULA) zur Verfügung, das mit dem direkten, physischen Zugang zur letzten Meile - der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) – nicht vergleichbar sei.

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