Telekom beantragt Einführung von Vectoring

Neue Regulierungsverfügung und VDSL-Monopol durch die Hintertür?

22. Dezember 2012

Die Telekom Deutschland GmbH (Telekom) hat am Mittwoch bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die so genannte letzte Meile, eingereicht. Darin fordert die Telekom, die Zugangsmöglichkeiten für Wettbewerber zur TAL an den Kabelverzweigern (KVz) – das sind die grauen Verteilerkästen am Straßenrand – einzuschränken. Das teilte die Bundesnetzagentur mit. Hintergrund für den Antrag sei die von der Telekom angekündigte Einführung des so genannten Vectoring-Verfahrens in ihrem Netz.

Das Vectoring Verfahren

Kabelverzweiger (KVz)

Mit dem Vectoring-Verfahren sind im heute bestehenden kupferbasierten Teilnehmeranschlussnetz höhere Übertragungsraten möglich. Laut Telekom können Haushalte durch Vectoring Übertragungsraten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde (MBit/s) im Download erreichen. Beim Hochladen (Upload), bietet Vectoring bis zu 40 Megabit pro Sekunde (MBit/s) und damit deutlich mehr Bandbreite als die Kabelnetzbetreiber. Die Technik reduziert die gegenseitige Störung aus benachbarten Kupferdoppeladern eines Kabels. Durch den Ausgleich von elektromagnetischen Störungen zwischen den Leitungen sei dann eine Verdoppelung der Bandbreite möglich.

Um diesen Ausgleich zu ermöglichen, ist nach Angaben der Telekom allerdings erforderlich, dass nur ein einzelnes Unternehmen Zugriff auf alle Kupfer-Doppeladern an einem Kabelverzweiger (grauer Verteilerkasten am Gehwegrand) hat. Das bedeutet: Andere Betreiber können dort keine eigene Technik installieren und ein entbündelter Zugriff ist damit – sofern es um den Einsatz von VDSL-Technik geht – nicht mehr möglich. Die Telekom besitzt nach eigenen Angaben insgesamt rund 330.000 Kabelverzweiger, die Wettbewerber haben davon circa 8.200 mit eigenen Leitungen angebunden.

In den Gebieten, die die Telekom mit Vectoring erschließt, sollen Wettbewerber als entsprechendes Vorleistungsprodukt einen Bitstream-Anschluss für Vectoring erhalten. Damit können die Wettbewerber ihren Kunden ebenfalls doppelte Bandbreiten anbieten. »Ein solches Angebot erwarten wir aber auch von alternativen Netzbetreibern. Sonst droht tatsächlich eine Monopolisierung - allerdings eine regionale durch Wettbewerber«, betont Niek Jan van Damme, Deutschland-Vorstand bei der Telekom.

Der Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann kündigte an, »im Rahmen eines transparenten und ergebnisoffenen Beschlusskammerverfahrens« allen interessierten Marktakteuren Gelegenheit zu geben, »ihre jeweiligen Positionen ausführlich darzulegen und anschließend eine Entscheidung treffen«. Das Verfahren soll zügig abgeschlossen werden. Stellungnahmen zum Antrag können bis zum 21. Januar 2013 abgegeben werden. Im Anschluss soll am 24. Januar 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung stattfinden. Laut Telekom haben die Regulierungsbehörden in Belgien und Österreich dem Einsatz von Vectoring mit Unterstützung der EU-Kommission bereits zugestimmt.

Meinungen zum Vectoring Antrag der Telekom

Vodafone-Geschäftsführer Thomas Ellerbeck erklärte, dass sein Unternehmen dem Vectoring aufgeschlossen gegenüber stehe. Gleichzeitig fordert er: »Grundsatz muss aber bleiben: Kein neues Monopol. Wir brauchen Einigkeit über Leistungsumfang, Preis und Zeitpunkt von TV-fähigen Vorprodukten, die den Wettbewerbern mit Einführung des Telekom Vectorings zeitgleich angeboten werden.«

Der VATM begrüßt, dass die Deutsche Telekom bei Vectoring von zahlreichen wettbewerbs- und investitionsbehindernden Forderungen abgerückt ist. Auch sollen die Wettbewerber die gleiche Möglichkeit haben, die neue Technologie so einzusetzen, wie die Telekom selbst. Gleichzeitig kritisiert der VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner: »Allerdings fordert die Telekom Ausnahmen vom bisherigen Zugang zu diesem Verteilerkasten am Gehwegrand für die Wettbewerber. So soll zum Beispiel schon die Ankündigung eines Ausbaus durch den Ex-Monopolisten reichen, um ein Zugangsverbot für Wettbewerber auszulösen.« Er fordert, dass bei Konfliktfällen die Bundesnetzagentur eine vermittelnde Rolle spielen müsse . »Statt grundlegende Zugangsrechte in Frage zu stellen, brauchen wir lediglich gemeinsame Regeln für das Luxusproblem, wenn zwei Unternehmen den gleichen Kabelverzweiger [...] teuer mit Glasfaser anschließen wollen.«

Auch der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS) sieht die vorgeschlagenen Regelungen kritisch: »Nach massiven Protesten der Branche ist die Telekom jetzt zwar von einem Vectoring-Monopol abgerückt, massive Einschränkungen bei der KVz-TAL-Bereitstellung soll es aber trotzdem geben.« Aus Sicht des Verbandes habe sich die Zugangsverpflichtung zur letzten Meile für den wettbewerblichen Infrastrukturausbau bewährt, eine Änderung der zugrundeliegenden Regulierungsverfügung lehnt der BUGLAS daher ab. »Einzig dann, wenn ein Kabelverzweiger von mehr als einem Carrier mit Glasfaser erschlossen wird und Vectoring möglich ist, bedarf es einer Lösung«, so BUGLAS-Präsident Dr. Hans Konle. Genau wie VATM sieht auch BULGAS die Anzahl dieser Fälle als »verschwindend gering« an.

Der BREKO-Verband, in dem sich City- und Regio-Carrier zusammen geschlossen haben, übt harsche Kritik an dem Vectoring Antrag der Telekom. »Vordergründig gehe es der Telekom um die Einführung von Vectoring. In Wahrheit wolle die Telekom aber unter dem Deckmantel einer innovativen Technologie den an Dynamik stark zunehmenden Glasfaserausbau der Wettbewerber massiv behindern«, teilte der BREKO am Donnerstag mit. »Die Anträge seien darauf ausgerichtet, den für den Netzausbau der Wettbewerber so wichtigen entbündelten Zugang zum KVz drastisch einzuschränken.«

Der Telekom gehe es eindeutig um Remonopolisierung, stellt Ralf Kleint, der Präsident des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO), fest. Und der Geschäftsführer des BREKO, Dr. Stephan Albers ergänzt: &Die von der Telekom beantragte Einschränkung des Breitbandausbaus für die Wettbewerber ist eine schlechte Neuigkeit für die Breitbandversorgung in Deutschland und vor allem für die Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Gebieten.« Gerade (aber nicht nur) in ländlichen Regionen wird der Ausbau der Kabelverzweiger stark von den Wettbewerbern der Telekom voran getrieben, während die Telekom vor allem an KVz in den bereits durch andere Angebote gut versorgten Ballungsräumen präsent ist, so BREKO. »Durch das von der Telekom beantragte Konzept, würden nicht nur die bisher von den Wettbewerbern getätigten Investitionen entwertet, sondern auch weitere wettbewerbliche Investitionen in den Glasfaserausbau verhindert. Da der Konzern faktisch ein jederzeit auszuübendes Zugriffsrecht auf die Kabelverzweiger beansprucht, wäre für weitere Investitionen der Wettbewerber keine ausreichende Sicherheit mehr gegeben«, so der Verband.

Bild: Deutsche Telekom

Lesen Sie unsere News auch als RSS-Feed

 
+++ Anzeige +++